Die Aneignung von Objekten fand oftmals unter äußerst fragwürdigen Bedingungen und in einem kolonialen Kontext statt. Ohne jegliche Rücksichtnahme wurden Gegenstände geraubt oder Grabstätten geplündert, um museale oder universitäre Sammlungen zu erweitern. Dies betrifft vor allem menschliche Überreste, welche eine tiefgehende Provenienzforschung erfordern. Aufgrund von fehlenden Informationen kann die Herkunft und/oder der Sammlungskontext häufig nicht mehr rekonstruiert werden, dies trifft auch auf den modellierten Schädel aus der Ethnographischen Sammlung zu. Bisherige Recherchen ergaben kaum neue Erkenntnisse. Vermutlich befindet er sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Wien. Im Eingangsbuch Ozeanien der Ethnographischen Sammlung ist seine Herkunft mit „Sepik, Neuguinea“ vermerkt. Er wurde präpariert und mit einer roten, tonartigen Masse übermodelliert, diese ist brüchig und löst sich teilweise ab. An der Vorderseite ist er mit weißer, roter und schwarzer Farbe bemalt und anstelle der Augen wurden Kaurischnecken-Gehäuse eingesetzt. Zehn verfilzte Zöpfe aus dunkelbraunem Menschenhaar wurden seitlich am rechten Oberkopf in die Masse eingearbeitet. Aufgrund der Auseinandersetzung mit seiner Gestaltung wird eine Verbindung zur ethnischen Gruppe der Iatmul vermutet. Den Ahn:innen sprachen die Iatmul magische Kräfte zu. Daher wurden ihre Schädel behutsam vom verwesten Körper getrennt, präpariert und in den Wohnhäusern aufbewahrt. Ähnliches erfolgte mit Trophäen von Kopfjagden, die sich zwar in der Herstellung, aber nicht in der Gestaltung von Ahn:innenschädeln unterscheiden. Dies wirft die Frage auf, ob es sich bei dem Objekt aus der Ethnographischen Sammlung um einen Ahn:innenschädel oder eine Kopfjagdtrophäe handelt.
Dieses Beispiel zeigt, wie Provenienzforschung oftmals zu mehr Fragen als Antworten führen kann. Ungeklärte Tatsachen beeinflussen auch die weitere Vorgehensweise. Bisher konnte noch nicht herausgefunden werden, woher genau und unter welchen Bedingungen der modellierte Schädel gesammelt wurde. Daher konnten auch noch keine Gespräche mit der Herkunftsgesellschaft geführt werden.
Stattdessen werden mit Hilfe von Workshops und Projekten, Möglichkeiten eines rücksichtsvollen Umgangs und einer ethisch vertretbaren Aufbewahrung sowohl thematisiert als auch umgesetzt. Vorerst verbleibt das sensible Objekt in der Sammlung und wird respektvoll im Depot aufbewahrt, bis sich die Gegebenheiten ändern oder weitere Antworten gefunden werden.